Gewaltfreie Kommunikation, Coaching, Mediation in Hamburg.

Wir haben keine Konflikte!

keinekonflikteDiesen Satz höre ich relativ häufig von Team Mitgliedern. Das Gespräch läuft dann meistens so ab:

Team Mitglied (M): „Wir haben keine Konflikte.“
Coach (C): „ah, das hört sich gut an.“
M (lächelt): „Nein, eigentlich läuft alles gut.“
C (lächelt zurück): „ja, das ist ja schön.“
M: <kurze Pause>
M: „es ist nur so, dass…:“

Und dann können wir den Satz auf unterschiedliche Arten fortsetzen:

  • Kollege A hält sich nicht an das Commitment
  • Der Product Owner will oft noch was im aktuellen Sprint ändern und wendet sich direkt an die Entwickler
  • Der Software Architekt sitzt im Elfenbeinturm
  • Kollege B ist selten rechtzeitig zu den Besprechungen da
  • Kollegin C checkt ständig fehlerhaften Sourcecode ein
  • D weiß alles besser
  • E mäkelt an vielem rum und zieht andere runter
  • Nie trifft jemand mal eine Entscheidung
  • ….

Aus eigener Erfahrung weiß ich: sich selbst einzugestehen, dass etwas schief läuft, dass da ein Konflikt ist, kann sehr schwierig sein. Ich habe lange Zeit erlebt, dass „einen Konflikt zu haben“ oder „an einem Konflikt beteiligt zu sein“ sehr oft gleichbedeutend war mit „ich habe etwas falsch gemacht“, „ich bin falsch“, „ich soll nachgeben“, „wenn ich die Dinge nicht so ernst nehme, wenn ich mich anders verhalte, wenn ich anders handle, dann ist alles gut“. Das hat mir dann Angst gemacht: Angst davor, verurteilt zu werden, Angst davor, mit meinen Wünschen und Bedürfnissen nicht berücksichtigt zu werden, Angst davor mich verändern zu müssen ohne dass ich das möchte oder ohne dass geschaut wird, ob es überhaupt möglich ist für mich. Irgendwie hatte „einen Konflikt zu haben“ gleichbedeutend mit „einen Makel haben“; etwas war dann falsch und es lag natürlich an der Person, die den Konflikt hat oder an mir (oft auch in Personalunion). Und in die Klärung eines Konflikts zu gehen war lange Zeit gleichbedeutend mit „den eigenen Makel anderen zur Schau zu stellen und dafür kritisiert und be- und verurteilt zu werden“.

Mit der Zeit lerne ich, dass dass alles ganz anders ist.

Inzwischen weiss ich, dass ein Konflikt bedeutet, dass Zielsetzungen, Interessen und Wertvorstellungen verschiedener Beteiligter vermeintlich nicht zueinander passen.

Mir wird immer klarer: wo und wann immer Menschen zusammenkommen, gibt es Konflikte und es wird sie auch in Zukunft immer geben. Menschen und Teams haben einfach unterschiedliche Vorstellungen, Werte, Interessen und Ziele. Das macht ja auch ihren Reiz aus. Es ist also völlig natürlich, dass das in unterschiedliche Richtungen läuft.

Die Frage, die sich viel eher stellt, ist: Wie gehen wir mit Konflikten um?

Die Anwesenheit eines (oder mehrerer) Konflikte zu leugnen hat noch nie geholfen. Manche Menschen glauben, Konflikte lösten sich von allein, ich habe das auch sehr lange Zeit für möglich gehalten. Irgendwann habe ich mich dann einmal gefragt: Wie wahrscheinlich ist es wirklich, dass zwei Menschen mit unterschiedlichen Zielen, Interessen oder Werten plötzlich und ohne irgendein Zutun und ohne äußere Einflüsse ihre Ziele, Interessen und Werte zu einem gleichen Zeitpunkt dahingehend ändern, dass Einigkeit herrscht und beide das auch noch merken? Es schien mir extrem unwahrscheinlich, schon rein rechnerisch. Ich habe ja von meinem Ausbildungsgang her einen mathematischen Hintergrund. Allein die Formel zu überlegen und die möglichen Parameter da einzurechnen – mir wird dann ganz wirr. Und sind mehr als zwei Menschen beteiligt (wie das ja bei den meisten Teams und Menschenzusammenkünften so ist), lässt sich weiter hochrechnen, dass es noch unwahrscheinlicher wird. Ich bin inzwischen versucht zu sagen: es ist unmöglich.

Konflikte lösen sich nicht von allein.

Der erste Schritt zur Lösung eines Konflikts ist anzuerkennen, dass ein Konflikt vorhanden ist. Wer bereit ist, das zu akzeptieren, hat bereits ungefähr 50% des Weges zur Lösung zurückgelegt. Ich habe ganz viel Respekt und Wertschätzung für Menschen, die das tun. Mir selbst gelingt es auch nicht immer sofort, gerade dann, wenn es schmerzhafte Dinge sind. Ich bin jedoch sehr froh, dass es mir immer öfter gelingt. Ich werde quasi, zumindest was das angeht, konstant weniger dumm.

Irgendwann mal habe ich mit mir selbst die Verabredung getroffen, dass ich, wenn ich sehr ärgerlich, wütend oder ungerecht bin (bei mir ein sicheres Zeichen, dass da ein Konflikt ist), dass ich dann schauen will, worum es mir selbst wirklich geht und ich will dann alles dafür tun, jedem Beteiligten noch alles Gute wünschen zu können und ihn als Menschen annehmen. Seitdem erkenne ich meine Konflikte eher und ich akzeptiere sie. Ich bin auch eher bereit, mir zur Klärung Unterstützung zu holen. Ich weiss inzwischen auch, dass ein Konflikt eigentlich gar nicht so schlimm ist: ich betrachte sie inzwischen als eine Situation, in der sowohl ich als auch andere Beteiligte vieles noch nicht verstanden haben.

Konflikte als Wachstumsfelder

Diese Situationen, die sich manchmal mit sehr deutlichen Signalen und lauten Warnzeichen zu erkennen geben, machen einen Konflikt zu einem Lernpotential und einem Wachstumsfeld. Dann geht es auch nicht mehr um die Frage von Schuld oder Recht-haben. Es geht vielmehr darum, voneinander zu lernen und neue Wege zu entdecken, wie wir miteinander so umgehen können, dass es für alle Beteiligten angenehmer ist, dass das Team die Produktivität zurück gewinnt, oder ganz einfach dass es weiter geht.

Diese Betrachtungsweise nimmt dem ganzen die Dramatik. Wenn ich andere Menschen in Mediationen begleite, werden Konflikte oft und plötzlich zu spannenden Situationen, wo die Beteiligten (und ich als Mediatorin) sehr viel neues entdecken können. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich schon Momente in Mediationen erlebt habe, wo die Beteiligten am Ende sagten: „wie, und das war’s jetzt? Darum haben wir uns so lange gequält? Meine Güte….“. Mir ist es dann immer ganz wichtig, den Mut und die Bereitschaft zur Annahme des Konflikts und zur Klärung anzuerkennen. Ohne dem, wäre niemand da hingekommen, wo sie zu dem Zeitpunkt sind.

Wie oben bereits gesagt: die eigene Angst anzunehmen, sie anerkennen und mutig mitnehmen und dann mal forschen, wie ein anderer Weg des Umgangs aussehen kann. Wer das tut, hat mindestens 50% des Lösungsweges schon zurück gelegt.


Beitrag veröffentlicht

in

, , ,

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert