Gewaltfreie Kommunikation, Coaching, Mediation in Hamburg.

Schwierigkeit mit vielen Facetten

Ich möchte die Schwierigkeiten des Schenkens an einem Beispiel, wie es mir vor einigen Jahren selbst passierte, illustrieren.

Die Geschichte des Beispiels ist vor ein paar Jahren genau so geschehen. An dem betreffenden Tag hatte ich Abends nach Feierabend einen Termin. Zwischen Feierabend und dem Termin lag noch etwas Zeit und ein Kollege fragte mich, ob ich in der Zeit mit ihm noch einen Kaffee trinken gehe. Ich war für dieses spontane Angebot sehr dankbar, und es ergab sich ein für mich sehr bereicherndes Gespräch beim Getränk. Ich hatte mich über die mir geschenkte Zeit und das anregende Gespräch so gefreut, dass ich am nächsten Tag beschloss, mich mit einem Glas Honig zu bedanken (Anmerkung: ich habe immer ein paar Gläser Honig mehr im Haus. Mein Vater ist Hobby-Imker und gelegentlich verschenke ich ein Glas oder verkaufe es, denn es hat sich etwas herumgesprochen, wie lecker es ist). Ich stellte dem Kollegen das Glas mit einem Dankes-Gruß an seinen Arbeitsplatz. Einige Zeit später traf ich ihn und er sagte zu mir „danke dafür, das ist auch eine Art des Anfixens“.
Soweit das Beispiel.

Mir wird an dem Beispiel das Dilemma, in welchem wir uns als Schenkende und Beschenkte befinden, sehr deutlich. Wie schwer fällt es uns manchmal, Dinge anzunehmen, weil wir Schwierigkeiten haben, die gute Absicht dahinter zu erkennen oder weil wir befürchten, in irgendeiner Form manipuliert und ausgetrickst zu werden? Und wie schwer fällt es uns, Dinge wirklich aus ehrlichem Herzen und ohne Hintergedanken zu geben, weil wir zum Wohle des anderen beitragen möchten – und nicht, um uns selbst in irgend einer Form etwas Gutes zu tun? Und wie schwer fällt es uns, das „erwartete Danke“ nicht zu hören? (Kinder sind da übrigens sehr viel ehrlicher als wir Erwachsenen!)

Wie oft schenken wir aus Schuld („ich handele falsch, wenn ich nichts schenke“) oder Scham („ich bin falsch/undankbar/egoistisch, wenn ich nichts mitbringe“)?
Ich bin davon überzeugt, dass die andere Person oftmals spürt, wenn aus Schuld oder Scham heraus gehandelt wird. Das sind oft die Geschenke, die weitergereicht werden; die Blumen, die schneller verwelken; die Schokolade, die nicht schmeckt; der Schal, der kratzt. Aus Schuld oder Scham heraus zu handeln ist für mich auch eine Form von für sich selbst sorgen. Es geht darum, das eigene Gewissen beruhigen, seine vermeintliche Schuld begleichen und sich versuchesweise beispielsweise den Wunsch nach Verbindung, Akzeptanz oder  Wertschätzung zu erfüllen.

Und ich bin auch davon überzeugt, dass die meisten Schenker aus einer sehr guten Absicht heraus handeln. Sie möchten tatsächlich zum Wohle des anderen beitragen. Sie machen sich viele Gedanken darüber was sie schenken. Eine beliebte Strategie ist es dazu, sich zu überlegen, was man selbst gern hätte und dann darauf zu schließen, dass es dem anderen sicherlich auch gefiele. Ich beispielsweise habe eine Zeit lang sehr gern Bücher verschenkt, die ich selbst gern lesen würde. Das sind wunderbare Absichten, denn der Schenkende handelt durchaus, um zum Wohle des anderen beizutragen.

Und dann vergessen wir zu überprüfen, ob es den anderen tatsächlich bereichert, was wir uns überlegt haben und was wir so „großzügig“ geben. Das Geschenk wird daraufhin schal und der Beschenkte als undankbar verurteilt, wenn es ihm nicht gefällt. Das war übrigens auch damals mein erstes Urteil, das ich gegenüber meinem Kollegen fällte.

Wie kommen wir aus dem Dilemma heraus? Für mich ist der Schlüsselweg die Ehrlichkeit mit sich selbst und die Empathie mit dem anderen.
Die erste Frage beim Schenken überhaupt ist für mich zu überlegen, wieso möchte ich wirklich schenken? Geht es mir um mich oder um Schuld oder um Scham oder geht es mir darum, dass ich ehrlich zum Wohle des anderen beitragen möchte? Und das zweite ist dann zu überprüfen, ob der andere das auch möchte. Ich mache dem anderen transparent, dass ich ihn gern beschenken möchte und was meine Motivation dahinter ist, damit er tatsächlich die gute Absicht dahinter erkennen kann. Dann frage ich ihn, ob er bereit ist, mein Geschenk anzunehmen.  Und wenn er das nicht ist? Nun, dann hat er seinen guten Grund dazu und ich bin bereit, ihn damit zu akzeptieren und als die Person zu schätzen, die sie ist. Der Wunsch des anderen ist mir wichtig und ich sehe, dass ich mit diesem Geschenk gerade eben nicht zum Wohle des anderen beitrage. Vor einiger Zeit habe ich eine Situation erlebt, in welcher die zu beschenkende Person genau das geäußert hat – und dann gemeinsam mit der schenkenden Person geschaut hat, wie letztere mit ihrem Geschenk zum Wohle von jemand drittem beitragen konnte. Eine wunderschöne Situation, in welcher es 3 Gewinnerinnen gab – nein, eigentlich 4, denn ich habe viel daraus gelernt.

Wie ist es für den, der beschenkt wird? Er könnte zunächst einmal für sich überprüfen, ob er sich mit der guten Absicht des Schenkenden verbinden kann. Dann kann er ehrlich in sich hinein horchen und nachspüren, ob es wirklich seine Bedürfnisse erfüllt, das Geschenk anzunehmen. Wenn es das tut, dan ist es prima. Wenn nicht, kann er es den Schenkenden wissen lassen und sich gleichzeitig für die gute Absicht bedanken. (Und ich wünschte, mir gelänge das als Beschenkte immer.) Es gibt als Beschenkter keine Verpflichtung, gegen sich selbst zu handeln, „um es dem anderen Recht zu  machen, er meint es ja nur gut“.

Zurück zum Beispiel: wenn ich dem Kollegen damals wirklich direkt gesagt hätte, wieso ich dieses Glas Honig verschenken möchte, dann hätten vermutlich alle Beteiligten gewonnen. Aber ich hätte diesen Blogeintrag nicht schreiben können.

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